Mia san mia by Fiedler Teja
Autor:Fiedler, Teja [Fiedler, Teja]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Piper Verlag
veröffentlicht: 2017-03-12T16:00:00+00:00
Ludwig I., König und Poet
Und plötzlich gab es Bayern. Bayern mit Ypsilon. Bisher hatte es 1000 lange Jahre Baiern geheißen, doch Ludwig I., der 1825 seinem Vater Max Joseph auf dem Thron folgte, liebte alles Griechische. Er las Homer und Thukydides im Urtext, erschauerte in Ehrfurcht vor ionischen Säulen, bedichtete unermüdlich antike Göttinnen und Helden. Er verfügte sofort nach Regierungsantritt, dass auch sein Königreich von Hinterfirmiansreuth bis Untergeiersnest hellenische Heiterkeit ausstrahlen möge. Dazu war das Ypsilon im Namen ein erster Schritt. Weitere sollten folgen.
Ludwig war ein schwerhöriger Stotterer mit überlauter Stimme, in mehreren Fremdsprachen zu Hause und in der Lage, neben einem zwölfstündigen Arbeitsalltag insgesamt vier Bände Poesie zu verfassen. Er war ein janusköpfiger Herrscher, der das Rad der Geschichte gleichzeitig vor und zurück drehen wollte. Der neue König begann seine Regierungszeit mit liberalem Schwung.
Schon als De-facto-Regent in den letzten Jahren seines Vaters hatte er den Gemeinden Spielraum zur Selbstverwaltung zuerkannt, den das zentralistische Staatsmodell Montgelas’ ihnen verweigert hatte. Unter dem Beifall der Liberalen schaffte er gleich im ersten Regierungsjahr die Pressezensur ganz ab. Dann ordnete er die Finanzen. Ludwig strich den Haushalt zusammen, kürzte die Beamtengehälter, verkleinerte das Heer und brachte es so fertig, die Staatsschulden, mit denen sein Vater nie fertiggeworden war, binnen weniger Jahre deutlich zu drücken.
In den umliegenden Staaten, Österreich voran, wurde sein liberaler Kurs mit Besorgnis gesehen. Unter der Führung des österreichischen Fürsten Metternich waren die europäischen Königshäuser gerade dabei, die Welt im Namen der Restauration so weit wie möglich wieder zu gestalten, wie sie vor der Französischen Revolution und Napoleon so schön war – vor allem für sie. Doch Ludwig antwortete auf Metternichs Vorhaltungen, er sei nur Gott und der Verfassung verpflichtet. Gewiss sei der Kaiser in Wien nicht Gott noch Fürst Metternich die bayerische Verfassung. Und damit vielen Dank.
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